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Die Konzertorgel im Musiksaal des Hans-Sachs-Hauses
aus: Festschrift zur Eröffnung des Hans-Sachs-Hauses, 1927
 

Die Konzertorgel im Musiksaal des Hans-Sachs-Hauses

Nachdem die Stadt Gelsenkirchen im Hans-Sachs-Haus einen Konzertsaal großen Ausmaßes geschaffen, welcher dem musikalischen Leben unserer Stadt einen würdigen Rahmen verleihen soll, bestand auch das Bedürfnis nach einer Konzertorgel, die in ihren Größenverhältnissen dem Saal angepaßt war und durch ihren Aufbau und ihre klanglichen Möglichkeiten allen musikalischen Wünschen in vollkommener Weise gerecht zu werden vermochte. Der Bau des Instrumentes wurde der größten deutschen Orgelbauanstalt E. F. Walcker & Co., Ludwigsburg, übertragen, aus deren Werkstatt die Orgel als Opus 2150 hervorgegangen ist. Für die Durcharbeitung aller Einzelfragen zwischen der Erbauerin und den von der Stadt berufenen Sachverständigen stand etwa ein Jahr zur Verfügung. Da sowohl die Erkenntnisse und Erfahrungen berücksichtigt worden sind, welche das Studium klangschöner alter Orgeln der Bach'schen und Vor-Bach'schen Zeit ergab, wie auch alle künstlerisch wertvollen Errungenschaften der neueren Orgelbaukunst, so dürfte ein näheres Eingehen auf die Gesichtspunkte, nach welchen der Aufbau des Instrumentes entworfen worden ist, auch für weitere Kreise von Interesse sein.

Welches sind die Aufgaben einer Konzertorgel? Sie sind in der Hauptsache zweierlei Art:

1. ZUSAMMENWIRKEN MIT ORCHESTER UND CHOR. Für diesen Zweck muß das Instrument eine genügende Größe, Fülle und Tragfähigkeit des Klanges besitzen. Wenn man bedenkt, daß bei Oratorien von Bach und Händel zu einem Orchester von 60 bis 80 Musikern Chöre von 200 bis 300 Stimmen hinzutreten, eine Zahl, welche sich bei modernen Chorwerken noch ganz wesentlich erhöht, und wenn dann die Aufgabe der Orgel nicht darin bestehen soll, in der Klangmasse unterzugehen, sondern vielmehr zu führen, das Ganze zu beherrschen und dem Gesamtklang den letzten festlichen Glanz zu verleihen, so darf sie nicht zu klein bemessen sein; sie muß durch Weichheit und Fülle mit dem übrigen Tonkörper verschmelzen, durch die Klarheit ihrer Stimmen den Chor führen und durch eine ausgiebige Baßwirkung (Pedalstimmen) die Grundlage des Gesamtklanges abgeben.

2. DIE VERWENDUNG ALS SOLO-INSTRUMENT. Sie muß bei dem ungeheuren Reichtum an wertvoller Orgelliteratur von vier Jahrhunderten, einem Reichtum, von welchem sich der Fernerstehende kaum einen Begriff macht, in weitaus stärkerem Maße als bisher in Betracht kommen. Dazu ist aber erforderlich, daß das Instrument sowohl in seinen Einzelstimmen wie in seiner Gesamtwirkung zur Wiedergabe aller Stilrichtungen geeignet ist. Es muß zugegeben werden, daß die in den vergangenen Jahrzehnten gebauten Kirchen- und Konzertorgeln, von nicht allzu zahlreichen Ausnahmen abgesehen, für eine vorbildliche Wiedergabe polyphoner Musik wenig geeignet sind. Der aufmerksame Zuhörer wird sich kaum des Eindrucks erwehren können, daß der Klang zu dick und massig ist, um die Struktur und Linienführung der Komposition wirklich klar erkennen zu lassen, und daß das "Volle Werk" durch seine Schärfe oft kaum zu ertragen ist. So ist es zu erklären, daß ein großer Teil des Publikums zu solchen Darbietungen bisher nicht die rechte innere Verbindung zu gewinnen vermochte.

Wer dagegen einmal polyphone Musik auf einer gut erhaltenen deutschen Orgel des 17. Jahrhunderts gehört hat, der wird überrascht und beglückt gewesen sein von der unbedingten Klarheit und Schönheit der Stimmenführung sowie dem geschlossenen, weichen und leuchtenden Tutti solcher Instrumente. Er wird dabei die Empfindung gehabt haben, daß die Orgel keineswegs die Kopie eines großen Orchesters sein soll, sondern daß in ihrem eigene Wege gehenden Farbenreichtum ihre besondere Stärke liegt.

Es ist zu begrüßen, daß unsere Orgel gerade jetzt und nicht schon einige Jahre früher gebaut wurde, denn besonders in den letzten Jahren hat sich die Orgelbauforschung wieder besonders eingehend mit den alten Instrumenten und den Ursachen ihrer klanglichen Vollkommenheit beschäftigt. Der Niederschlag dieser Studien ist vornehmlich in dem Bericht über die Freiburger Tagung für Deutsche Orgelkunst 1926 erfolgt (Bärenreiter-Verlag Augsburg), die praktische Auswirkung erstmalig in der Walcker-Orgel des Saalbaues zu Recklinghausen und der Orgel der Göttinger Marienkirche, erbaut von Furtwängler & Hammer, beide vollendet 1926. So konnten die neuesten theoretischen und praktischen Erkenntnisse dem Entwurf unserer Orgel in vollem Umfange zugute kommen.

Die klanglichen Vorzüge der alten Orgeln liegen in der wohldurchdachten Auswahl und Mensurierung ihrer Labialpfeifen begründet. Hierüber einige kurze Vorbemerkungen. Eine Orgelpfeife klingt umso voller, weicher und grundtöniger, je weiter sie im Verhältnis zu ihrer Länge bemessen ist ("weite Mensur") und mit je niedrigerem Winddruck sie angeblasen wird. Solche Pfeifen betonen den Grundton und sind fast frei von Obertönen. Demgegenüber besitzen Pfeifen mit "enger Mensur", besonders bei erhöhtem Winddruck, einen obertonreichen, scharfen, oft gequälten Klang, welcher zu einem wirklich befriedigenden Gesamtklang meist nicht verschmilzt. Orgeln, ausschließlich besetzt mit Pfeifen von weiter Mensur, würden also sehr voll, weich und einheitlich im Klang sein, aber mangels Obertönen den strahlenden Glanz, der bekanntlich erst durch die Obertöne erzielt wird, vermissen lassen. Deshalb bediente sich der alte Orgelbau zur Erzielung von Licht und Klarheit in überaus reichem Maße eines Mittels, das er künstlerisch beherrschte. Er fügte eine Reihe von weitmensurierten kleinen Pfeifen hinzu, welche die fehlenden Obertöne einfach selbst als Grundton anblasen und bei glücklicher Intonation mit dem übrigen Klangkörper vollkommen verschmelzen; diese Pfeifen wurden zum Teil als Einzelregister aufgestellt ("Einzelaliquotstimmen"), teils zu mehreren als Chöre zusammengefaßt ("Mixturen"). In der weisen Beschränkung auf wenige weitmensurierte Grundstimmen und der reichlichen Verwendung künstlerisch intonierter Obertonregister (Aliquote und Mixturen) liegt: das Geheimnis des Wohlklanges der alten Instrumente. Später, gegen Ende des 19. Jahrhunderts, ging der Orgelbau unter dem Einfluß des Orchesterklangideales von diesem Wege ab und bevorzugte enge Mensuren und erhöhten Winddruck; die Kunst, wohlklingende Mixturen zu bauen, ging zum Teil verloren. Das Ergebnis war nicht mehr Weichheit, Fülle und Klarheit, sondern Dickflüssigkeit, Härte und nicht befriedigende Klangverschmelzung. Wenn diese Nachteile bei unserer Orgel vermieden werden sollten, so war der einzuschlagende Weg grundsätzlich vorgezeichnet und ist nunmehr ohne weiteres verständlich: keine Anhäufung ähnlich klingender Grundstimmen, weitgehende Beschränkung in der Auswahl engmensurierter Register (ganz kann und soll man sie nicht entbehren), Anwendung weiter Mensuren bei mäßigem Winddruck, reiche Auswahl von Obertonregistern und künstlerisch intonierten Mixturen, schließlich noch Ergänzung durch eine genügende Anzahl vornehm klingender Zungenstimmen.

Wesentlich ist ferner noch folgender Gesichtspunkt: Jede, auch die kleinste Orgel, soll mindestens zwei Klaviaturen für die Hände ("Manuale") besitzen, um das Spiel mehrerer Klangkomplexe gegeneinander oder gegen eine durchlaufende Melodie (cantus firmus) zu ermöglichen; größere Instrumente besitzen drei bis fünf Manuale. In den letzten Jahrzehnten verteilte man die klingenden Stimmen in der Weise, daß die Manuale sich lediglich in der Klangstärke voneinander unterschieden, d. h. die oberen Manuale besaßen die schwachen Register und waren demnach nur das Echo der unteren, stärkeren Manuale. Ein Gegeneinanderspielen z. B. eines cantus firmus gegen eine gleich starke, aber anders gefärbte Gegenstimme war kaum möglich. Die gute deutsche Orgel früherer Jahrhunderte war aber so disponiert, daß die einzelnen Klaviere sich vornehmlich durch ihre Klangfarbe von einander unterschieden. Hierdurch ist eine unverschleierte Gegensatzwirkung ermöglicht und eine Offenbarung des geistigen Gehaltes der Komposition, welche sich auch dem ungeübten Hörer mit vollkommener Deutlichkeit aufdrängt. Auch bei der Orgel des Hans-Sachs-Hauses ist dieser Gedankengang, die Unterscheidung der einzelnen Manuale weniger nach Klangstärke als nach Klangfarbe, weitgehend berücksichtigt worden.

DISPOSITION DER ORGEL.
Die Disposition der Orgel, d. h. die Auswahl der klingenden Stimmen und ihre Verteilung auf die Manuale und das Pedal, ist nicht aus einem kleinen Entwurf durch allmähliche Vergrößerung entstanden, sondern in dem durch die Saalverhältnisse geforderten Umfang von vornherein als einheitliches Ganzes erdacht worden. Der Entwurf entstand nicht allein nach den oben dargelegten künstlerischen Gesichtspunkten, sondern auch unter wirtschaftlichen Rücksichten, indem jedes Register so vorgesehen wurde, daß es in seiner Wirkung durch kein anderes zu ersetzen ist und daß im übrigen (bei einer Gesamtpfeifenzahl von 5800) doch keine Pfeife überflüssig in der Orgel vorhanden sein sollte.

Die Orgel hat 91 Register, welche sich auf 4 Manuale und 1 Peda! verteilen. Vom vierten (obersten) Manual wird nicht allein das auf dem 16-Fuß-Ton (Unteroktavlage) aufgebaute Bombardemanual gespielt, sondern durch einfache Fußhebelumschaltung auch das Fernwerk; bei dieser Umschaltung verstummt automatisch das Pedal der Hauptorgel, und es erklingen die entsprechenden Pedalstimmen im Fernwerk.

Über die Klangfarbe der einzelnen Manuale und ihre Besetzung gibt nachstehende Aufstellung Aufschluß:

I. MANUAL: Voller, weicher, durchsichtiger Grundklang: die 15 Register dieses Manuals sind zum großen Teil nach dem Vorbild des bedeutendsten, zu Bachs Zeiten lebenden Orgelbauers Gottfr. Silbermann (1683-1753) intoniert.
II. MANUAL: Im Gegensatz zu I heller Flötentoncharakter: es enthält die Obertonregister lückenlos ausgebaut bis zum 1', sodaß diesem mit 18 Registern besetzten Manual eine ganz besondere Biegsamkeit und Beweglichkeit des Klanges eigen ist.
III. MANUAL: Leicht streichender Charakter, die Mensuren sind aber nicht so eng gewählt, daß nicht eine vollkommene Verschmelzung des Klanges mit dem der anderen Manuale gewährleistet wäre; es enthält 15 Register.
IV. MANUAL: In diesem Manual sind vornehmlich diejenigen Stimmen vereinigt, welche dem Gesamtklang der Orgel die besondere Majestät verleihen. Es handelt sich hier in erster Linie um die schweren Zungenstimmen (Bombarde, Posaune und Trompete). Durch diese Verteilung behalten die 3 übrigen Manuale ihre Klarheit, der Hinzutritt des 4. Manuals ergib aber für den Gesamtklang eine schwerprächtige Steigerung und den letzten festlichen Glanz (Reger). Es ist mit 13 Registern besetzt. Unter diesen befindet sich als Schlagwerk eine Celesta (Stahlplattenklavier), welche in modernen Orchesterwerken oft benötigt wird, meist aber fehlt.
PEDAL: Das Pedal ist so besetzt, daß es sowohl ein ausreichend kräftiges Tonfundament abgibt, als auch allen Anforderungen der verschiedensten Stilrichtungen gerecht wird. Es hat 19 Stimmen, darunter drei 32'-Register (d.i. Doppelunteroktave). Besonderes Gewicht wurde auf den Ausbau des Zungenchors im Pedal gelegt; im ganzen sind 6 Zungenstimmen vorhanden.
FERNWERK: Das Fernmanual ist auf einen besonders hellen Charakter abgestimmt und mit 9 Registern, darunter zwei Zungenstimmen besetzt. Gleichzeitig mit der Umschaltung tritt auch das Pedal im Fernwerk in Kraft, welches zwei Register, darunter wiederum eine weich intonierte Zungenstimme, enthält.
Zur Winderzeugung für die Orgel dienen drei elektrische Orgelgebläse, von denen zwei auf die Hauptorgel, das dritte auf das Fernwerk wirken.

Um auch die durch ihren mehr kammermusikalischen Aufbau bemerkenswerte, musikalisch meist außerordentlich wertvolle Vor-Bach'sche Orgelmusik (Frühbarock), für welche sich in den letzten Jahren ein andauernd steigendes Interesse bemerkbar macht, stilecht spielen zu können, sind 11 Register der Orgel zum Teil nach den Angaben des um 1600 lebenden Musik- und Orgelgelehrten Prätorius, zum Teil nach den entsprechenden alten Registern der Johanniskirche zu Lüneburg gebaut. Die Wiederbelebung dieser alten Stimmen ist erst vor einigen Jahren erfolgt, den Anstoß hierzu gab die von der Firma Walcker auf Anregung von Professor Gurlitt für das Freiburger musikwissenschaftliche Institut erbaute Prätorius-Orgel. Wer einmal Gelegenheit gehabt hat, diese alten Register zu hören, wird sich ihrem Klangzauber nicht haben entziehen können und wird sich vielleicht gefragt haben, weshalb der Orgelbau von der Herstellung dieser wundervollen Stimmen jemals abgegangen ist. Es hat sich aber gezeigt, daß diese alten Stimmen sich auch für moderne Orgelmusik (Reger) wegen ihrer ganz typischen Klangfarbe ganz vorzüglich eignen. Es wird hierdurch die Orgel als Solo-Instrument in ihrem Farbenreichtum in ungeahnter Weise bereichert. 14 Register, wie oben erwähnt, meist dem ersten Manual angehörend, sind nach Gottfried Silbermann, dem bedeutenden Zeitgenossen Bachs und einem der besten Orgelbaukünstler aller Zeiten, intoniert.

Zur besseren dynamischen Beweglichkeit des Klanges sind die Register des 2., 3., 4. Manuals und des Fernwerks in je einem Schwellkasten mit beweglichen Jalousien eingeschlossen; die Stimmen des Hauptmanuals (I), sowie die starken Stimmen des Pedals stehen dagegen frei, damit sich ihr Klang ungehindert entfalten kann. Zur weiteren günstigen Beeinflussung der Tonentwicklung wurde von vornherein ein sehr geräumiger, als mustergültig hinzustellender Orgelraum geschaffen, welcher so hoch gelegen ist, daß der Klang ungehindert über Chor und Orchester hinwegfließen kann; ferner wurde auf den üblichen Pfeifenprospekt (Tonfresser!) verzichtet und statt dessen der Abschluß des Orgelraumes gegen den Saal durch horizontale, feststehende Jalousien von genügend weitem Abstand bewirkt.

Zusammenfassend kann gesagt werden, daß die Orgel des Hans-Sachs-Hauses durch Auswahl, Mensurierung und Verteilung ihrer klingenden Stimmen jedem musikalischen Bedürfnis gerecht zu werden in der Lage ist; die Musik des 17. Jahrhunderts wird auf ihr ebenso stilecht vorgetragen werden können, wie die Werke der modernen Komponisten.

DER SPIELTISCH.
Wenn man an andern großen Orgeln oft sieht, mit welcher Unzahl von Spielhilfen (Knöpfen, Tritten, Hebeln usw.) der Spieltisch überladen ist, wie unübersichtlich, unlogisch und deshalb verwirrend dieselben oft angebracht sind und wie sie infolgedessen von vielen Spielern nur zu einem kleinen Teil benutzt werden, so war es gegeben, bei der Hans-Sachs-Haus-Orgel, deren klanglicher Aufbau so eingehend durchgearbeitet worden war, auch der Spieltischfrage eine ganz besondere Aufmerksamkeit zu widmen. Oberster Grundsatz war, ihn unter Weglassung aller überflüssigen Zutaten nur mit den notwendigen Spielhilfen auszustatten und dieselben so übersichtlich wie möglich anzuordnen.

Der Spieltisch ist in seiner Wirkungsweise rein elektrisch, alle Betätigungen beim Herunterdrücken der Tasten, bei der Bedienung der Registerzüge und Druckknöpfe erfolgen nach dem Prinzip des Telegraphen. Die Verbindungsdrähte zwischen Spieltisch und Orgel sind zu einem starken, biegsamen Kabel zusammengefasst, wodurch der für Konzertzwecke unschätzbare Vorteil gegeben ist, den Spieltisch an jeder beliebigen Stelle des Podiums und (bei szenischen Aufführungen) auch im Saal aufstellen zu können. Bei dem Zusammenwirken mit Chor und Orchester wird der Organist nicht mehr auf den Notbehelf einer Verständigung durch Spiegel angewiesen sein, sondern sitzt direkt vor dem Dirigenten; bei Solovorträgen wird der Spieltisch da stehen, wo bei Klavierabenden der Flügel zu stehen pflegt, sodaß ein unmittelbarer Kontakt zwischen Spieler und Hörer möglich ist. Der Strom für die sogenannte "elektrische Traktur" wird durch eine kleine Schwachstrommaschine erzeugt, welcher eine zweite als Reserve beigegeben ist.

In der Mitte des Spieltisches liegen die vier Manualklaviaturen terrassenförmig übereinander, zu welchen unten als fünfte Klaviatur das Pedal hinzutritt. Der Umfang der Manuale geht von C bis c'''', derjenige des Pedals von C bis ''. Die Registerzüge für die klingenden Stimmen sind als Kipptasten ausgebildet und liegen teils zu beiden Seiten der Klaviaturen, teils in der Mitte darüber. An wertvollen Hilfseinrichtungen besitzt der Spieltisch u. a. vier "freie Kombinationen": über jeder Registertaste liegen nämlich vier kleine, verschiedenfarbige Zugknöpfchen, mit welchen sich der Spieler vorher vier verschiedene Registerkombinationen einstellen kann. Dieselben treten abwechselnd und erst dann in Kraft, wenn ein entsprechender Druckknopf gleicher Farbe unterhalb des ersten Manuals betätigt wird, was während des Spieles ohne weiteres möglich ist. Man ist also in der Lage, sich die wichtigsten Kombinationen eines Konzertvortrages vorher vorzubereiten, wodurch Stockungen und überlange Pausen in den Vorträgen selbst vermieden werden.

Als Knöpfe zwischen den Manualen bezw. als Fußtritte sind die "Koppeln" ausgebildet, mit welchen der Spieler die Stimmen mehrerer Manuale, sowie diejenigen der Manuale und des Pedals miteinander verkoppeln kann, eine ungeheure Bereicherung der klanglichen Möglichkeiten. Ferner wird mit dem Fuß die sogenannte "Registerwalze" bedient, durch deren Drehung die gesamten klingenden Stimmen der Orgel in wohlgeordneter Reihenfolge nacheinander ein- und ausgeschaltet werden können, sodaß ein gewaltiges Crescendo bzw. Decrescendo ermöglicht wird. Rechts von der Registerwalze liegen die "Schwelltritte" zum Offnen und Schließen der Schwelljalousien. Erwähnenswert ist ferner eine "automatische Pedalumschaltung", durch welche sich die Pedalklangfarbe selbsttätig auf eine neue, vorher einstellbare und einem anderen Manual angepaßte Klangfarbe ändert, sobald der Spieler auch nur EINE Taste dieses Manuals berührt. Zur schnelleren Registrierung dienen ferner noch sogenannte "Abstoßer", welche eine eingestellte Kombination mit EINER Bewegung wieder auflösen.

Etwas grundsätzlich Neues hat der Spieltisch in der Wirkungsweise seiner Hilfseinrichtungen erhalten; sie wirken alle - nach dem System Jung- "positiv". Darunter ist folgendes zu verstehen: für den Spieler besteht während eines Vertrages häufig die Notwendigkeit, gewisse Stimmgruppen abzuschalten, z. B. die 16'-Stimmen, die Zungenstimmen, die Registerwalze usw. Hierfür hat man bisher "Absteller" gebaut, Druckknöpfe, welche beim Hineindrücken eine abstellende, also negative Wirkung haben. Wenn man nun bedenkt, daß die meisten anderen Spielhilfen "positiv" wirken, d. h. beim Hineindrücken eine hinzufügende Wirkung haben, so ergab sich für die bisherigen Spieltische, besonders bei großen Orgeln, immerhin die Gefahr einer Unübersichtlichkeit insofern, als der Spieler gleichzeitig Spielhilfen mit positiver und negativer Wirkung vorfand. Dieser Mißstand ist bei dem Spieltisch der Hans-Sachs-Haus-Orgel beseitigt, alle Betätigungen wirken in EINER Richtung. Die Durchführung dieses Grundsatzes sei deshalb besonders betont, weil es u. W. DAS ERSTE MAL ist, daß in einer deutschen KONZERTORGEL dieses Einheitsprinzip vollkommen konsequent zur Anwendung gelangt ist. Die Firma Walcker hat es in Berlin an zwei Kirchenorgeln sowie einer Orgel in Privatbesitz bereits angewandt, wo es die lebhafte Zustimmung aller Fachkreise gefunden hat.

Mit diesen Ausführungen sind im wesentlichen diejenigen Einzelheiten, welche auch für den dem Orgelbau fernstehenden Musikliebhaber verständlich und wissenswert sein dürften, dargelegt. Es sollte vor allem gezeigt werden, zu welchen Erkenntnissen und Leitgedanken die moderne Orgelbauforschung gelangt ist und in welcher Weise dieselben dem Entwurf und Aufbau der Hans-Sachs-Haus-Orgel zugrunde gelegt worden sind, damit sie nicht ein Durchschnittsinstrument, sondern ein erstklassiges Kunstwerk werde. Die am Bau des Instrumentes Beteiligten haben den Wunsch, daß diese Orgel mit ihrem unerschöpflichen und alle Stilrichtungen umfassenden Klangfarbenreichtum als unentbehrliches Glied des Musiklebens der Stadt Gelsenkirchen allen Musikfreunden beglückende Stunden vermitteln und dem viel zu wenig bekannten Schatz an wertvoller Orgelmusik zur verdienten Wiederbelebung verhelfen möge.

   

 

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