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  Presseberichte
  Gelsenkirchener Zeitung, 22. April 1928 (Nr. 111)

"Ein Meisterwerk allerersten Ranges"

Die Orgel im Hans-Sachs-Haus richtunggebend für die deutsche Orgelbaukunst

Abnahmegutachten des Städt. Musikdirektors E. Holtschneider-Dortmund


Mit großer Spannung und Erwartung sieht heute eine ganze Bevölkerung, besonders in den Industriestädten einen Orgelbau entstehen. Vorführungen auf diesem Instrument haben, nachdem die Königin der Instrumente Eingang in die Konzertsäle gefunden hat, an Beliebtheit außerordentlich zugenommen. Die Messehalle in Köln, die Stadthallen zu Recklinghausen und Mülheim können die Besucher kaum fassen, besonders, wenn Meister wie Sittard, Heitmann, Bachem, Boell, Bunk u. a. mit alter und zeitgenössischer Literatur die Hörer beglücken.

Die Einwohnerschaft der Stadt Gelsenkirchen-Buer hat nun dank ihrer großzügigen Stadtverwaltung in dem
wundervollen Konzertsaal ihres Hans-Sachs-Hauses eine Orgel der Firma E. F. Walker u. Co., Ludwigsburg, erhalten, welche durch die Einheitlichkeit ihres Aufbaues und klangliche Auswirkung ihresgleichen sucht und zur Zeit von keiner übertroffen wird.

Durch frühzeitige Inangriffnahme des Projektes und beste Zusammenarbeit zwischen Sachverständigen und erbauender Firma war eine vollkommene Ausreifung bis in die kleinsten Einzelheiten möglich, so konnte in der Frage der räumlichen Aufstellung, der Disposition und der Spieltischeinrichtung die jeweils beste Lösung gefunden und ausgearbeitet werden.

Die Aufstellung des Pfeifenwerkes geschah nicht, wie sonst übereinander, sondern nebeneinander um die drei Seiten des Podiums und in genügender Höhe, wodurch eine ungehemmte Klangentwicklung gewährleistet wurde.

Die Disposition (91 Register auf vier Manualen und ein Pedal) ist wie aus einem Guß nach einem scharf ausgeprägten Plan aufgebaut. Jedes Manual ist eine besondere Orgel mit spezifischem Klangcharakter. Über den Aufbau der Disposition ist die Gelsenkirchener Öffentlichkeit durch einen zur Saaleinweihung erschienenen Aufsatz des Herrn Dr. Ing. Herbert Briefs, des hochverdienten Förderers des ganzen Unternehmens, eingehend unterrichtet worden. Es soll hier nur bestätigt werden, daß der angestrebte Klangcharakter der einzelnen Klaviere bei möglichst sparsamer Belegung mit klingenden Stimmen in idealer Weise erreicht worden ist. Der volle Grundklang 1, die helle Beweglichkeit von 2, der leicht streichende Charakter von 3, die majestätische Fülle von 4, die ungemein fundamentale und ausgiebige Wirkung des Pedals und schließlich der helle, runde Klang des ebenfalls von 4 aus spielbaren Fernwerks. Die von Herrn Dr. Oskar Walker gestiftete Celesta im 4. Manual ist eine willkommene Ergänzung für moderne Orgelmusik und für Orchesterspiel. Das für die Gesamtwirkung wesentliche Verhältnis von Grundstimmen zu Obertonregistern und Zungenstimmen ist mit 52 : 18 Prozent ein sehr günstiges.

Die klangliche Auswirkung des Instrumentes ist auch dank der überaus glücklichen Akustik des Sales im ganzen ausgiebig gesättigt, weich, durchsichtig, im einzelnen ungemein charakteristisch, vornehm, von seltener Schönheit und Mannigfaltigkeit. Die "historischen" Stimmen verschmelzen in bester Weise mit dem übrigen Klangkörper und sind gleich gut für alte und neue Orgelmusik geeignet. Die Anpassung des Gesamtklanges an die Saalverhältnisse aus aufs beste gelungen. Der Ersatz des früher üblichen Pfeifenprospektes durch ein horizontales Lattengitter vom klanglichen Standpunkt aus lebhaft zu begrüßen.

Der rein elektrische, fahrbare Spieltisch, äußerlich ein architektonisches Kunstwerk, bedarf einer besonderen Erwähnung. Er besitzt alle notwendigen, aber keine überflüssigen Spielhilfen in vollkommen logischer Anordnung und Wirkungsweise. Hier ist zum ersten Mal an einer deutschen Konzertorgel "positive System" angewandt worden, bei welchem in strengster Konsequenz alle Register und Spielhilfen nach einer Richtung wirken und jede negative, d.h. abstellende Betätigung, in Wegfall kommt. Den beiden Sachverständigen, Herrn Dr. Briefs, Gelsenkirchen-Buer und Herrn Gerard Bunk, Dortmund, ist für den Mut zu danken, mit welchem sie für diese Neuerung eingetreten sind; denn gegenüber den bisherigen Spieltischen, welche positiv und negativ wirkende Züge durcheinander besitzen erfordert das hier angewandte System zwar eine gewisse Umstellung des Spielers, die aber dem denkenden Künstler keine Schwierigkeiten bereitet. Der endgültige Sieg muß diesem System beschieden sein, weil es streng logisch aufgebaut ist und die Vorteile in die Augen springen.

Es bedarf keiner besonderen Erwähnung, daß auch alle übrigen Teile der Orgel, wie Gebläse, Windkanäle, Windladen Jalousieschwellen, Traktur usw. in tadellosem Zustand abgeliefert sind.

Für mich war es ein ehrenvoller Auftrag, von der Stadtverwaltung mit der Abnahme des Werkes betraut zu sein. Nach einer mehrtägigen Prüfung in klanglicher und funktionstechnischer Beziehung ist das Resultat eine restlose Zufriedenheit in jeder Hinsicht. Die Orgelbaufirma E. F. Walker, Ludwigsburg, hat hier
ein Meisterwerk allerersten Ranges geschaffen, das sich zur Wiedergabe aller Stilrichtungen eignet, heute unübertroffen dasteht und richtunggebend für zukünftige Konzertorgeln ist.

Die Sachverständigen-Kommission, die Herren Bunk und besonders Dr. Briefs dürfen in diesem Protokoll nicht unerwähnt bleiben. Sie haben sich um Disposition und um die Schaffung des in mancher Beziehung neuen Orgeltyps sehr verdient gemacht.

Der Stadtverwaltung Gelsenkirchen gebührt Dank für diese künstlerische Großtat. Wäre sie nicht für sofortigen Ausbau des ganzen Projektes eingetreten, so wäre ein Stückwerk entstanden. So aber besitzt die Stadt Gelsenkirchen-Buer in ihrem Hans-Sachs-Haus ein der bedeutensten Meisterwerke deutscher Orgelbaukunst. Die Stadt kann des Dankes Tausender gewiss sein, die zum Hans-Sachs-Haus pilgern, um zu sehen, zu hören und zu staunen.

   

 

 

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