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  Presseberichte
  Buersche Zeitung, 06.04.1982

2. Orgelmatinee fand vor beinahe leeren Bänken statt

Hörerlebnis für eine Minderheit

Die hervorragenden Gäste hatten so schlechten Zuspruch nicht verdient

GELSENKIRCHEN. Es waren nur wenige, allzu wenige, die den Weg ins Hans-Sachs-Haus gefunden hatten. Die zweite Orgelmatinee fand sozusagen vor leeren Bänken statt. Dabei war das Konzert über jedes Lob erhaben. Das Männerquartett „Harmonie" Eschweiler-Nothberg, die Sopranistin Elisabeth Zoll (Aachen), der Organist Norbert Richtsteig (Aachen), Schlagzeugvirtuose Hermann Gschwendtner (München) und der Dirigent Hans-Josef Roth setzten sich im Geiste verantwortungsbewußten künstlerischen Nachvollzugs für moderne Chor- und Kantatenwerke von Francois Poulenc und Harald Genzmer ein und ernteten für ihre Darbietungen bei den wenigen Zuhörern Beifall über Beifall.

Für die erkrankte Sopranistin Hildegard Becker (Trier) war kurzfristig Elisabeth Zoll eingesprungen, die ihre Rolle mit Bravour und ausgesprochen sängerischem Instinkt bis zum guten Ende durchstand. Das Vibraphon-Solo des Schlagzeug-Professors Gschwendtner brachte weltlichen Klangzauber in ein sakrales Umfeld.

Mit dem Händchen des geborenen Chordirigenten führte Hans-Josef Roth seine Sänger von der Eschweiler Harmonie durch die mystische Welt frommer Marienverehrung eines Franz von Assisi in der Vertonung von Poulenc. Die vier französisch gesungenen Fürbitten fanden, im schönsten Parlando-Stil hingehaucht oder im machtvollen Choreinsatz vorgetragen, zu hinreißender Ausformung. Was die 35 Sänger aus Eschweiler an chorischen Nuancen, an sprachlicher und gesanglicher Disziplin und hochentwickelter Darstellungskunst in ihre Poulenc-Interpretation einbrachten, wurde zu einem beglückenden Hörerlebnis für die Zuhörer.

Die monumental angelegte „Geistliche Kantate" in der gemäßigt modernen, musikalisch fesselnden Sprache von Harald Genzmer (1979), die nach dem Vorbild alter kirchlicher Psalmen über die Allmacht der Natur und die Sehnsucht des Menschen nach Erlösung inbrünstige Meditationen anstellt, erklang in dieser Matinee in schönster Harmonie und der ihr gebührenden liturgischen Vergeistigung. Solistin, Chor, Orgel und Schlagzeug setzten starke interpretatorische Akzente. Chorleiter Roth dirigierte souverän und erfüllt von wahrhaft religiösem Eifer.

Joseph Hesse
 

   

 

 

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