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  Presseberichte
  Westdeutsche Allgemeine Zeitung, 05.06.1986

Liszt-Schaffen als Reizthema

Zsigmond Szathmary an der HSH-Orgel

Franz Liszt und sein Orgelschaffen sind ein Reizthema: die einen beklagen die Profanisierung des Instruments, andere feiern den Erretter der Orgel aus dunklen Kirchengewölben, die dritten befremdet sein Hang zu mythisch überzeichneten Themen („Am Grabe Richard Wagners"). Zsigmond Szathmary (Freiburg) , hätte unter diesen Vorzeichen bei seinem Orgelkonzert zum Liszt-Jahr - der Abbé starb vor 100 Jahren - auf reges Interesse hoffen können. Doch auch Szathmarys künstlerische Reputation konnte eine Grundtendenz des Musikfestes nicht ändern: die Publikumsbeteiligung war zurückhaltend. Die Walcker-Orgel im Hans-Sachs-Haus trat an diesem Abend wieder in Erscheinung, restauriert, wie es hieß. Doch so klingt sie zumindest im "meckernden" Tutti nicht. Sechs Kompositionen hatte Szathmary ausgewählt, von "handlichen" symphonischen Dichtungen wie "Orpheus" bis hin zum Kolossalgemälde "Fantasie und Fuge über den Choral 'Ad nos, ad salutarem undam'", dem ein Thema aus Meyerbeers "Der Prophet" zugrundeliegt.

Liszt verneint hier seine Vorliebe für rhapsodische Verläufe mit pianistischer Raffinesse, Pedaltrillern und virtuosen Kadenzen, was Szathmary unter Assistenz einer vielgeforderten Registrantin bravourös meisterte. Die Spannung hielt er in diesem Riesenwerk ohne Mühe aufrecht.

Hinter dem umständlichen Titel "Variationen über den Basso continuo des ersten Satzes der Kantate 'Weinen, Klagen, Sorgen, Zagen' und des Cruzifixus der h-Moll-Messe von J.S. Bach" verbirgt sich keine "Bearbeitung" der gleichnamigen Klaviervariationen, sondern eine eigenständige, orgeltypische Version. Liszt erhebt die absteigende Chromatik des "Lamento-Basses" zum Kompositionsprinzip, in allen Stimmen des Satzes dominiert die Halb-tonfortschreitung. Diese chromatische Fantasie stattete der Solist mit klaren, entschiedenen Phrasierungen aus und lichtete den schwerfälligen Charakter der Orgel durch punktgenaue Artikulation.

   

 

 

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