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  Presseberichte
  Westdeutsche Allgemeine Zeitung, 16.09.1987

An der Wirklichkeit scheitern die Träume

 

(HJL) Nach langer Pause wieder ein Konzert auf der restaurierten Walcker-Orgel aus dem Jahre 1927 im Hans-Sachs-Haus: mit dem Stralsunder Organisten Dietrich W. Prost hatte Kustos Karlheinz Obenier einen guten Griff getan. Der Gast aus der DDR spielte ein breitgefächertes Repertoire mit Werken aus drei Jahrhunderten. Die rund 70-köpfige Hörergemeinde applaudierte lebhaft, Prost bedankte sich mit einer Zugabe.

Für programmatische Spannung sorgten die ständigen Kontraste, mit denen er die vielfältigen Möglichkeiten dieser romantisch orientierten Saalorgel abrief. Daß man auch ohne Aufwand der elektronischen Klangkombinationen Wirkung erzielen kann, zeigte sich bei Kompositionen wie Mendelssohns D-Dur-Andante, ein Lied ohne Gesang, oder bei der Fuge in cis von Ernst Pepping, die neobarocke Farben erfordert.

Bei Buxtehudes großformatiger, schwungvoller, wuchtiger Toccata d-moll ließ er erstmals aufhorchen: der Vor-Bach-Komponist klang eckiger, unruhiger als man dies gemeinhin feststellt. Doch die Höhepunkte in der Vortragsfolge bildeten zwei Kompositionen der DDR-Musikerin Ruth Zechlin und die 8.Orgelsinfonie des hierzulande unbekannten Polen Feliks Nowowiejski.

In "Orpheus" knüpft die Komponistin sehr frei, nur assoziativ an den antiken Mythos an: da gewitterte es mächtig, ehe der Sänger Orpheus sich klagend auf den endgültigen Abschied von seiner Frau Eurydike besinnt. Rhapsodischer, dramatischer, kantiger: "Traum und Wirklichkeit", ein Stück über die Hoffnungen der Träume, die an der Wirklichkeit scheitern. Kein realistischer Kommentar, sondern eine Reihung von Fragen.

Nowowiejskis Sinfonie setzt sich expressionistisch mit dem Tod auseinander: klangliche Philosophie.

Prost, kompetent und registermutig, hinterließ den Appell, dieses großartige Instrument zukünftig stärker zu nutzen. Diese Orgel ist ein Pfund, mit dem Gelsenkirchen wuchern kann.

   

 

 

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